Destiny´s Parasite

in: Installation » 2023

So­lo­ex­hib­i­tion Galer­ie Petra MAR­TIN­ETZ, Co­logne
 

Images by Tamara Lorenz | Evamaria Schaller

 

Aus schwer ahn­ender Bergein­samkeit, dunklem Waldrauschen in Kärnten drin­gen Laute von Schafen, er­tönt der mech­an­is­che Sound der Scher­maschine. Ges­chorene Wolle fällt zu Boden. Auf trans­par­en­ten Stoff­bahnen wie­gen sich Farne, die als lebendige Fos­si­li­en den ewi­gen Kre­is­lauf des Lebens sym­bol­isier­en. Eine mas­kierte Frau mit langem schwar­zem Haar steigt aus der spiegelnden Seeo­ber­fläche. Als Kind der Nacht wandert sie wis­send durch die Ber­g­land­schaft, die sich in­ner­halb von Sekun­den vom Sehn­sucht­sort zur Ge­fahren­quelle wan­deln kann. Ist unser Schick­sal vorbestim­mt? Oder lässt es sich aktiv bee­in­flussen?

Evamaria Schallers ak­tuelle Aus­s­tel­lung knüpft an ihre 2021 in der Galer­ie präsen­tierte Au­s­ein­ander­set­zung mit dem kath­ol­isch kon­notier­ten Op­fer­lamm an, das sich passiv seinem Schick­sal hin­gibt. In „Des­tiny ́s Para­site“ liegt der Fokus nun auf der Figur At­ro­pos, der drit­ten der griech­is­chen Schick­sals­göt­tinnen, welche sich durch ver­schiedene Kul­turen hin­weg durch ihre Dreie­in­igkeit aus­zeichnen. Die Macht der Moiren er­streckt sich von Ge­burt bis Tod, von Sonnenauf- bis Sonnenun­ter­gang, verkör­pern sie doch ver­schiedene Lebensstadi­en. Ein jeder Lebens­faden rinnt durch ihre Fin­ger­spitzen, wird durch ihre Hand gesponnen sowie abgeschnit­ten. At­ro­pos gilt als die Un­ab­wend­bare, die Zer­störer­in, wenn das Leben durch ihren Ein­griff so un­ver­mit­telt endet, wie es ange­fan­gen hat. Schnell kann je­doch der Faden als Netz ge­fan­gen machen, ver­leitet dazu, sich in läh­mend­er Ver­pup­pung be­grif­fen fallen zu lassen. Auch der nach At­ro­pos benan­nte Toten­kopf­schwärmer durchläuft in­ner­halb der Aus­s­tel­lung ver­schiedene Stadi­en, bricht ir­gend­wann als gelb-schwar­zer Fal­ter aus sein­er Ver­schalung. Größt­mög­liche Meta­morph­ose fin­d­et in­ner­halb kürzester Zeit statt, aber nur wenige Raupen en­t­pup­pen sich schließ­lich als viel­far­bige Tag­fal­ter. Wann brechen auch wir aus dem schein­bar vorbestim­mten Zukun­ft­skor­sett?

Wer die Galer­ie wie durch eine Schleuse be­tritt, trifft zugleich eine Entscheidung, stellt sich dem ei­gen­en Fu­tur­um. Zu Be­ginn führt die Künst­ler­in mit Blat­tgold be­deck­tem Gesicht ver­schieden­ste Syn­onyme einer mög­lichen Zukun­ft auf, mutet als sprechende Gold­madonna fast künst­lich gen­er­iert an. Was ist Zukun­ft in einer Welt, deren Ex­istenz durch vielfältige Kris­en zun­ehmend bed­ro­ht wird? Der Loop endet mit „Fu­ture ends“, be­gin­nt erneut mit „Fu­ture is no fu­ture“. In weit­er­en Videos, aber auch Ob­jek­ten nähert sich Schaller his­tor­ischen wie ak­tuel­len Auffas­sun­gen von Schick­sal aus un­ter­schied­lichen kul­turel­len Per­spekt­iven, von Heils­ver­sprechen über Filmtitel bis Tar­otkarten. Ihre ker­amis­chen „Fu­ture Stones“ gleichen darüber hinaus archäo­lo­gis­chen Fund­stück­en, sind angelehnt an ar­cha­ische Keils­chriften. Welche an­thro­po­lo­gis­chen Spuren wer­den uns über­dauern? Sind es wirk­lich die di­gitalen En­dger­äte? Im let­zten Raum fin­d­et sich schließ­lich die auf Gaze proj­iz­ierte Videoin­stall­a­tion „SCHÄF­LICH“. Hier wech­seln sich Bilder, Struk­turen ab, re­agier­en au­fein­ander, ent­ziehen sich einer fortlaufenden Nar­ra­tion. Offen bleibt, was un­bestimmbar ist: die Zukun­ft.

Julia Stell­mann